Vielen Dank für das viele Feedback und das zunehmende Interesse an den Krisentipps. Die ersten TIPPS FÜR DIE KRISE sind in den Tagen nach der Veröffentlichung bereits mehrere Hundert mal gelesen und herunter geladen worden. Es freut uns, wenn wir ein wenig dazu beitragen können, dass Sie die aktuelle Krise gut überwinden können. Auch disesen Tipp gibt es wieder als pdf-Datei zum ausdrucken.
Haben Sie den letzten TIPP mit der Einführung und den ersten Übungen schon gelesen? Wenn nicht, würde ich das sehr empfehlen. Es ist gut, ein paar Grundlagen zu wissen und die Vorübungen erfahren zu haben, bevor wir heute zu den eher „formellen“ Formen von Meditation kommen. Mit formell meine ich Übungen, zu denen Sie sich explizit hinsetzen und Zeit nehmen, während Sie die informellen Übungen aus dem letzten Artikel nahezu überall im Alltag einbauen können. Darüber hinaus wurde im letzten Artikel – hoffentlich – klar, warum Gedankendisziplin, Achtsamkeit und Meditation gerade in Krisensituationen so hilfreich sind.
Bei der Gelegenheit sollten wir noch klären, was der Unterschied zwischen „Meditation“ und „Achtsamkeit“ ist: Meditation ist eher ein Überbegriff für Übungen auf dem Weg zu innerer Ruhe und Klarheit, während Achtsamkeit im Grunde genommen eine „Haltung“ ist. Eine nicht wertende, wache Aufmerksamkeit auf die Situation (innen oder außen), ohne sich vom Strom der Eindrücke, Gedanken und Emotionen ablenken oder mitreißen zu lassen. Achtsamkeit ist gleichzeitig eine der Methoden, die in der Meditation angewandt werden.
Vipasana
Eine der ältesten bekannten und gleichzeitig elegantesten Arten, zu meditieren wird nach dem alt-indischen Sanskrit „Vipassana“ genannt, was übersetzt auch wieder Achtsamkeit bedeutet1. Also eine „Achtsamkeits-Meditation“. Es heißt, sie stamme vom historischen Buddha. Ihre Anwendung ist wissenschaftlich gut untersucht unabhängig vom Buddhismus anwendbar. Bereit?
Suchen Sie sich zuerst Ort und Zeit (möglichst regelmäßig) um ungestört zu sein. Es kann sinnvoll sein, vorher festzulegen, wie lange Sie meditieren wollen. Für Einsteiger empfehle ich 5 – 10 Minuten. Lieber kurz und regelmäßig als zu lang. Sie können am Smartphone einen Timer mit einem Gong oder einem angenehmen Geräusch stellen.
Setzen Sie sich bitte locker und entspannt auf einen Stuhl, einen Hocker oder im sogenannten Lotus-Sitz mit übergeschlagenen Beinen auf den Boden. Der Lotus ist allerdings eher etwas für Profis. Wichtig sind ein aufrechter Rücken, nicht angelehnt, und eine eher lockere Körper-Spannung. Aufrecht und gleichzeitig so locker, wie es gerade geht. Dann kommen drei Schritte und ein kleiner „Trick“
Schritt 1 - Einstimmen:
◦ Bodyscan (Körperwahrnehmung): Lassen Sie Ihre Aufmerksamkeit von oben nach unten und wieder zurück durch den Körper wandern. Nehmen Sie – ohne zu werten – wahr, was Sie im Körper spüren. Sie dürfen Ihre Sitzposition noch verändern, wenn die Haltung unbequem ist. Mir hilft es, mir die Aufmerksamkeit wie die Scheibe eines CT-Scanners vorzustellen, die durch den Körper wandert; langsam nach unten und wieder hoch.
◦ Dann stellen Sie sich vor, wie Sie jetzt gerade wohl von außen aussehen. Körperhaltung, Kleidung, etc. Das hilft bei der Distanzierung.
◦ Jetzt nehmen Sie bitte wahr, in welcher Grundstimmung Sie gerade sind. Neugierig, gestresst, traurig, müde? All das ist Ordnung. Sie müssen nichts ändern. Sie müssen diesen Zustand auch nicht mögen. Nur wahrnehmen, was jetzt gerade ist. Dabei hilft ein mentaler „Trick“: Sie benennen dieses Grundgefühl dreimal in Gedanken (oder laut): neugierig – neugierig – neugierig, oder was auch immer Sie gerade fühlen.
Diese dreifache Wiederholung taucht bei der Vipassana häufig auf. Sie scheint unserem Inneren entgegen zu kommen (wie im Märchen und anderen archetypischen Geschichten) und bekommt mit der Zeit etwas rituelles, was sie sehr wirksam macht. Und sie ist in sich ein „Drei-Schritt“. Mit der ersten Wiederholung machen Sie sich bewusst, was Sie gerade wahrnehmen. Mit der zweiten Wiederholung akzeptieren Sie diese Wahrnehmung und mit der dritten entscheiden Sie sich, diese Wahrnehmung weiter ziehen zu lassen, sich nicht mehr darauf zu konzentrieren. Wahrnehmen – Annehmen – Loslassen.
Schritt 2 – Atmen:
◦ Jetzt konzentrieren Sie sich bitte auf Ihren Atem. Wieder ohne zu bewerten, wie Sie gerade Atmen und ohne etwas verändern zu wollen. Vielleicht spüren Sie, wie die Luft ein- und ausströmt. Vielleicht bemerken Sie, wie sich die Bauchdecke bei jedem Atemzug bewegt. Es kann hilfreich sein, sich dabei die Worte „ein“ und „aus“ zu sagen.
Die Atmung und die damit verbundene Wahrnehmung sind jetzt Ihr Anker. Darauf kommen Sie während der Meditation immer wieder zurück.
Schritt 3 - Achtsamkeit
◦ Während Sie atmen, werden Gedanken, Gefühle, Körperwahrnehmungen und anderes auftauchen. Das ist normal. Auch hier ist das Ziel, wertfrei zu bleiben und sich nicht in diesen Regungen zu verlieren. Dabei hilft wieder die dreifache mentale Notiz:
◦ Wenn Sie einen Gedanken wahrnehmen, sagen Sie sich innerlich klar und deutlich „denken – denken – denken“ und kehren mit der Aufmerksamkeit wieder zur Atmung zurück. Wahrnehmen – Annehmen – Loslassen.
◦ Wenn Sie ein Gefühl wahrnehmen (Emotion), sagen Sie innerlich „fühlen – fühlen – fühlen“ und kehren mit der Aufmerksamkeit wieder zur Atmung zurück.
◦ Wenn Sie ein Körper-Gefühl wahrnehmen, sagen Sie innerlich „spüren – spüren – spüren“ und kehren mit der Aufmerksamkeit wieder zur Atmung zurück.
◦ Wenn Sie etwas hören, weil wir unsere Ohren nicht schließen können, sagen Sie innerlich „hören – hören – hören“ und kehren mit der Aufmerksamkeit wieder zur Atmung zurück.
◦ Wenn innere Bilder oder Erinnerungen auftauchen, sagen Sie innerlich „sehen – sehen – sehen“ und kehren mit der Aufmerksamkeit wieder zur Atmung zurück.
Wenn Sie nach einer Weile merken, dass Sie sich in Gedanken verloren haben: Das ist normal. Sobald Sie es bemerken, kehren Sie mit der Aufmerksamkeit wieder zur Atmung zurück.
Beenden
Wenn der Gong ertönt, haben Sie Ihre (erste) Meditation erfolgreich hinter sich gebracht. Ich sage bewusst „erfolgreich“, selbst wenn es sich oft nicht so anfühlt. Meditation heißt nicht, nicht denken, tief entspannt oder schon völlig mental klar sein. Meditation heißt, ich mache mich auf den Weg dahin. Allein die Tatsache, dass Sie sich die Zeit genommen haben, ist gut. Wenn Sie Fortschritte wahrnehmen, ist es auch gut. Wenn nicht, dann ist das völlig normal. Einfach morgen weiter machen. Ich empfehle den Artikel „Wohin mit den Gedanken“ meines Freundes und EFT-Kollegen Martin Laschkolnig zu lesen. Er macht vieles klarer.
Dieser Artikel ist schon relativ lang geworden, so dass ich die nächste Anleitung lieber auf den nächsten Artikel und den nächsten Tag verschiebe. Hat der Artikel und die Übungen Ihnen gefallen? Dann würden wir uns über Feedback – oder Fragen – freuen. Am einfachsten geht das auf unserer Facebook-Seite. Sind Sie an einer Audio-Anleitung interessiert, zu der Sie meditieren können? Schreiben Sie uns.
Üben Sie regelmäßig und
bleiben Sie gesund,
Ihre Kerstin & Gerald Stiehler
1 Ich habe die Vipassana vor vielen Jahren von Master Han Shan (Herrman Ricker) gelernt. Es gibt viele verschiedene Überlieferungen der Vipassana und das hier ist die Version, wie ich sie anwende. Fehler und Ungenauigkeiten gehen dabei auf mein Konto. ☺